... Innerhalb von Sekunden verdunkelte sich plötzlich die Sonne und als Lena den Blick durch das malade Dach zum Himmel richtete, sah sie riesige dunkle Wolken von Sand. Das Heulen schwoll zu einem ohrenbetäubenden Krach an und der Sand begann von allen Seiten, durch jede Lücke im Gemäuer, auf sie einzupeitschen. Trotz ihres vorangegangenen Angriffs auf ihn zog Retenu Lena fest in seine Arme und bedeckte sie beide schützend mit dem weiten Umhang seines Gewandes. Auch die Pferde drängten sich unruhig scharrend und mit den Köpfen schlagend dichter in den Schutz der Mauern. Lena klammerte sich an Retenu, wie eine Ertrinkende ans rettende Ufer und zitterte vor Angst. Sie hatte noch nie so einen Aufruhr der Elemente erlebt und einen Sandsturm höchstens mal im Fernsehen gesehen. Retenu hielt sie weiter an sich gepreßt und berührte mit seinen Lippen beruhigend ihre Stirn. Ihre Angst ließ etwas nach und als sie seine Wange an ihrem Haar spürte, hatte sie unerklärlicherweise mitten in der Katastrophe das Gefühl, als könne ihr nie wieder etwas Böses geschehen. Ihr plötzlicher, ungerechtfertigter Zorn von vorhin war schon lange verflogen. Unter dem Schutz von Retenus Umhang hob Lena ihr Gesicht zu ihm empor und sah ihn zum ersten mal voller Vertrauen an. Retenu schob sie ein Stück von sich und schaute mit ungläubigem Blick tief in ihre samtbraunen Augen, dann riß er sie heftig an sich und sie versanken in einem Kuß, der so ungestüm war, wie der Sandsturm, der um sie herum tobte. Lena wünschte sich, daß dieser Augenblick niemals enden würde, denn in diesen Sekunden der Leidenschaft, waren plötzlich all ihre Zweifel verschwunden und kein Gedanke an die Vergangenheit hatte in ihrem aufgewühlten Herzen Platz. So plötzlich, wie der Sandsturm begonnen hatte, ebbte er auch wieder ab. Mit der Stille, die einkehrte, blickte Retenu Lena wie ein aus tiefem Schlaf Erwachender an und ließ sie aus seinen Armen gleiten. Als sie sich wieder an ihn schmiegen wollte, wich er zurück und sie erschrak vor dem zornigen Blick in seinen Augen. Was hatte sie falsch gemacht, was war passiert? „Retenu!“, sie streckte ihm bittend ihre Hand entgegen, doch er schüttelte seinen Umhang aus, ging zu den Pferden, und bestieg ohne sich nach ihr umzusehen seinen Hengst. Ernüchtert und in die Realität zurückgekehrt beeilte sich Lena ihre Stute zu erreichen und ihm zu folgen. Sie konnte es kaum fassen, daß sie sich in einem Moment der Angst einfach ihrem „Besitzer“ an ...
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