"Bestimmt sind sie auch so glücklich. Immerhin denkst du an sie. Ich würde auch wollen, dass man an mich denkt, wenn ich irgendwann tot bin. Und dass zumindest alle bei meiner Beerdigung auftauchen."
"Und die Bibliothek? Willst du noch springen?"
Ich musste lachen, er lachte auch.
"Nein, ich springe nicht, obwohl sie die Schutznetze abgenommen haben. Wahrscheinlich wirds mal wieder Zeit. Manchmal sitze ich noch da oben. Aber in letzter Zeit sehr selten. So langsam beginne ich mein Leben wieder zu ordnen und ich denke, es ist einfacher gefunden zu werden, wenn ich nicht 100 Meter über dem Boden auf einem Dach sitze."
"Na dann. Ich wünsch dir viel Glück."
"Danke, ich dir auch. Sehen wir uns denn mal wieder?"
"Ich denk schon, ich werd wohl noch öfter in deinem Krankenhaus auftauchen, zur Behandlung."
"Davon bin ich überzeugt."
"Maya. Tut mir Leid, was ich bei unserem letzten Treffen gesagt habe."
"Ist schon ok. Ich bin dir nicht böse."
"Das war dumm."
"Du musst dich nicht entschuldigen. Ich würde dich trotzdem behandeln."
"Falls du igendwann mal wieder in einem Gebüsch liegst, du kannst jederzeit wieder bei mir schlafen."
Wir lachten und dann ging jeder seiner Wege.
Am nächsten Tag beschloss ich ein letztes Mal auf mein Dach zu steigen. Morgen wollte ich zu meinen Eltern. Sie wussten noch nicht Bescheid, wussten noch nicht, dass ich vorbeikommen wollte und ihnen ihren und meinen größten Wunsch erfüllen würde. Es würde wieder so wie früher, wenn auch nicht sofort. Aber die Zeit würde schnell vergehen und die Wunden der letzten Jahre würden bald verheilt sein. All die Worte hätten keinerlei Bedeutung.
Ich setzte mich ein letztes Mal auf den Boden und atmete tief ein. Dabei schloss ich die Augen und erinnerte mich daran, wie ich zum ersten Mal hier oben saß. Ich hatte so ein Gefühl von Freiheit verspürt und fühlte mich, als wär ich der einzige Mensch auf der Welt. Es war ein großartiges Gefühl. Alles war so neu und so leicht zu greifen, ich musste nur meine Hand ausstrecken. Die Geschehnisse in den letzten Monaten hatten mir gezeigt, dass ich etwas ändern musste. Ich war viel zu lange auf der Flucht vor mir selbst und schaffte es immer wieder aufs Neue, mich vor mir zu verstecken. Jetzt endlich hatte ich mich gefunden.
Der Hausmeister hatte Recht, ich wusste schon lange, was ich wollte, ich hatte ...
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