"Sie haben Recht. Der einzige Mensch, der auf mich stolz sein müsste, bin ich."
"Und sind Sie es?"
"Im Moment nicht besonders, aber ich werde es sein."
"Damit sind wir schon zwei."
Er zwinkerte mir zu.
"Erzählen Sie mir etwas von sich."
"Von mir?"
"Ja. Wir reden die ganze Zeit über mich. Erzählen Sie mir etwas aus Ihrem Leben. Oder weshalb auch Sie fast immer hier sind oder auch für den Anfang nur, wie Sie heißen."
"Mein Name ist Carl Meyer und ich bin am 14. September 1941 geboren. 1952 kam ich mit meiner Familie hier her und blieb auch hier. Meine Frau Emmy lernte ich 1963 bei der Arbeit kennen. Damals war ich hier schon Hausmeister und noch ziemlich grün hinter den Ohren. Sie arbeitete im achten Stock und war für die An- und Auslieferungen sämtlicher Weltliteratur zuständig. Sie lief mir jeden Tag über den Weg und ich begann sie regelrecht zu verfolgen. Ganz harmlos natürlich. Ich half ihr ein paar Mal bei Lieferungen und trug dann die Kisten und Kartons. Sie lächelte mich an, es war ein Lächeln, das hatte ich noch nie gesehen und seither auch bei keinem anderen Menschen. Ich war starr in ihrer Nähe. Eines Abends fiel der Strom aus auf ihrer Etage und ich kam, um es zu reparieren. In dieser Nacht liebten wir uns das erste Mal. Und dann hab ich sie geheiratet. Sie hat noch genau das selbe Lächeln, wie früher und es verzaubert mich jedesmal. Und Sie könnten das auch. Sie haben auch dieses Lächeln, nur deshalb sitze ich hier und rede mit Ihnen."
"Nur deshalb? Soll das heißen, wenn ich es nicht hätte, dann hätten Sie mich gar nicht weiter beachtet?"
"Das tat ich ja die ganze Zeit über, bis ich Sie eines Abends hab lächeln sehen."
"Ich hab gelächelt?"
"Es hat geschneit. Sie lächeln immer, wenn es schneit."
"Und warum kommen Sie ständig her?"
"Dieser Ort birgt etwas besonderes in sich. Für die meisten ist es nur ein hohes Gebäude, wo viele Menschen jeden Tag ein und aus gehen. Aber für mich ist er ganz speziell. Hier treffen die Hektik und die Ruhe aufeinander und reichen sich die Hände. Hier kann man vor Freude weinen und vor Kummer lachen. Ich hab hier schon so einige Sorgen über die ganze Stadt geworfen. Spüren Sie das nicht?"
"Um ehrlich zu sein, brauchte ich nur einen Ort an dem ich meine Ruhe habe."
"Für jeden von uns bietet er etwas anderes schönes, für Sie ist das eben die innere Stille, die Sie nur hier oben erfahren können."
"Ja, so könnte man es ausdrücken. Ist schon ...
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