… lange Jahre. Als er sich zur Ruhe setzte, trat ich seine Nachfolge an. Manuel, mein Bruder, hat sich mehr den wirtschaftlichen Geschäften dieser Region gewidmet. Dein Interesse an unserer Familiengeschichte überrascht mich. Und jetzt will ich wissen – WARUM!!!“ Eine Ader an seiner linken Schläfe fing heftig an zu pulsieren. Sam entschied, dass es wohl besser wäre, ihm die gewünschten Informationen zu geben. Also erzählte sie ihm von der unsäglichen Nacht und von Manuels Geständnis, dass er sich auch an Miguels Kindern vergriffen habe. Sam sprach mit monotoner, leiser Stimme. Sie hielt den Blick gesenkt auf ihre zwischen den Knien gefalteten Finger und betrachtete das kalte Metall ihrer Handschellen. Sie spürte, wie die Ereignisse der Nacht sie erneut umklammerten. Während sie sprach, blickte sie ab und zu verstohlen hoch, ob Miguel irgendeine Reaktion auf ihre Worte zeigte. Doch Miguel hatte sich mit dem Stuhl zur Seite gedreht und war wieder in den Anblick des Portraits seines Vaters versunken. Sie endete mit ihrem Bericht, als die Polizisten die Laube betraten. Sam sah erneut auf ihre Handschellen und versank wieder in den Ereignissen, die hinter ihr lagen. Der plötzliche Schlag traf sie unerwartet. Miguels Hand klatschte hart gegen ihre linke Wange. Die gesamte Gesichtshälfte wurde erst taub, bis sich dann ein brennender Schmerz ausbreitete. In Sams linkem Ohr klingelte und dröhnte es. Sam unternahm gewaltige Anstrengungen, um nicht das Bewusstsein zu verlieren. Miguel lief hin und her, er bewegte sich für seine Körperfülle mit erstaunlicher Geschmeidigkeit und Eleganz. Er griff langsam mit beiden Händen nach Sams Schultern und umklammerte sie schmerzhaft. Unsanft zog er sie von ihrem Stuhl hoch. Sam war immer noch benommen und nahm die Geräusche wie durch Watte war, ihr linkes Auge brannte, heiße Tränen flossen aus ihrem Augenwinkel, so dass sie ständig blinzeln musste. Miguel zischte sie an. „Du lügst, du elende Schlampe, Manuel hätte nie seine Familie entweiht. Dafür wirst du büßen.“ Sam war sich nicht sicher, ob es an ihrer ständigen Blinzelei lag oder ob sie wirklich für einen Moment Panik und Verstehen in Miguels Blick gesehen hatte. Ein kleines Fünkchen Hoffnung keimte in ihr auf. „Befragen Sie Ihre Kinder. Ich sage die Wahrheit.“ Er stieß Sam zurück auf den Stuhl und verließ mit schnellen Schritten den Raum. Sam wischte sich mit zusammengebundenen Händen die Tränen aus dem Gesicht. …
◄ zurück blättern Beurteilen Sie den Text bitte fair.
Ihre echte Einschätzung hilft dem Autor seine Texte zu verbessern.
3641 Leser seit 1. Jan. 2024 für diesen Abschnitt
Noch kein Kommentar zu dieser Seite.
Sei der Erste!