… wohl kaum Miguel wieder aushändigen. Sam setzte sich auf den Beifahrersitz des Polizeiwagens und stieß zwischen zusammengepressten Zähnen „Fahr los“ hervor. Miguel setzte seine Fahrt schweigend fort. Nach ca. zwei Stunden erreichten sie ihr Ziel. Sam verrenkte sich den Hals, um durch das Seitenfenster des Wagens so viel wie möglich von ihrem neuen „Zuhause“ zu sehen. Düster ragte das sandfarbene Gebäude vor Sam auf. Von der Bauweise her erinnerte es sie an eine riesige, uneinnehmbare Festung. Zahlreiche, winzige Fenster waren in den Stein gehauen worden. Jedes war mit Gitterstäben versehen. Die Anlage bildete mit dem Hauptgebäude und zwei Nebengebäuden drei Seiten eines Vierecks. Sam saß mittlerweile wieder vorschriftsmäßig, mit angelegten Handschellen, auf dem Rücksitz. Die Sonne hatte sich hinter dicke Wolken zurückgezogen. Selbst hinter den Scheiben von Miguels Polizeiauto glaubte Sam den nahenden Regen fast schmecken zu können. Miguel hatte kurz vor ihrer Ankunft eine Zigarettenpause eingelegt und Sam für die Aufnahme im Gefängnis vorbereitet. Er hatte ihr eingeschärft, keinen Blickkontakt zu den anderen Gefangenen und auch nicht zum Wachpersonal herzustellen. Fragen sollte sie knapp und so präzise wie möglich beantworten. Beleidigungen und Anzüglichkeiten ignorieren. Sollte sie mit Aggressivität konfrontiert werden, den ersten Schlag ausführen. In den Sammelduschen immer mit dem Rücken zur Wand stehen, sich im Speisesaal nie in die Mitte, immer an die äußeren Tische am Rand orientieren und so weiter und so weiter. Fast 20 Minuten lang gab ihr Miguel einen Crashkurs zum Überleben unter Berufskillern, Psychopathen, Vergewaltigern und Totschlägern. Wenn es ganz eng werden würde, schärfte er ihr ein, solle sie die abgedrehte Irre spielen und zugeben, dass sie einen Kinderschänder ermordet habe. Er erklärte ihr, dass es auch in Gefängnissen einen gewissen Ehrenkodex und eine Rangordnung gab, auf der Kinderschänder die unterste Stufe einnahmen und nicht selten genug abgemurkst wurden. Je mehr Miguel mit hilfreichen Tipps aufwartete, desto mehr sank Sams Mut, sich in einer solchen Welt behaupten zu können. Sie hatte einen entscheidenden Nachteil, über den sie sich vollkommen im Klaren war. Sie sah aus, wie ein Pin-up-Girl, das der Wichsvorlage gängiger Hochglanzmagazine entsprungen war. Groß, schlank, mit vollen Brüsten, die der Schwerkraft trotzten, langen, wohlgeformten Beinen, einem engelsgleichen …
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