Zuerst hat Mama angerufen, als er ihre Stimme hörte hätte er gleich gewusst, dass es nichts Gutes sein kann, weil sie sich viel zu selten meldet und wenn, dann will sie nur ihre Enkelin sprechen. Als Mama aufgelegt hat, war Marie am Telefon und teilte mit, dass Pieti heute Nacht gestorben ist. Er sagt, dass er Verständnis dafür hätte, wenn ich traurig wäre. Marie würde auf meinen Anruf warten und damit ich in Ruhe sprechen könnte, würde er mit dem Winzling Eis essen gehen. Ich versuche, wie immer auszusehen und winke ihnen nach. Die bunten Tüten hat er mir vorher noch ins Haus getragen, unausgepackt lasse ich sie stehen und greife zum Telefon.
Marie ist gleich zu erreichen und mit wenigen Worten teilt sie mir mit, dass Pieti in den Morgenstunden eingeschlafen ist. Nicht wie Trixi es vorausgesagt hatte, in der Wüste oder im Schnee sondern ganz normal in einem weiß bezogenen Krankenhausbett. Seit Wochen hat er hier gelegen und wenn sein Herz nicht so unendlich stark gewesen wäre, wäre er schon viel früher gestorben. Sie ist seltsam distanziert und dann wirft sie mir vor, dass wir so oft dort gewesen wären und uns nicht einmal die Zeit genommen hätten, zu ihr und Papa zu gehen. Pieti hat doch wirklich bis zu seinem Tod behauptet, dass wir drei Mal im Jahr bei ihm Urlaub gemacht haben, er hat von seinem blond gelockten Kind erzählt und Marie will mir nicht glauben, dass das nur ein Märchen ist. Mein Winzling hat ganz dunkle Haare mit nicht einer Locke und seit er vor vielen Jahren weggegangen ist, hat er sie nie mehr gesehen. Auch der Papa möchte gerne mit mir sprechen und wenn es mir recht wäre, würde er morgen anrufen. Marie hat ohne viele Worte begriffen, dass ich seit Jahren ein neues Leben führe.
Kaum habe ich aufgelegt, ist Mama in der Leitung und behandelt mich wie eine Witwe. Natürlich ist es traurig aber ich weiß, dass er jetzt seine Ruhe finden wird. Bei unseren seltenen Gesprächen kann ich mit Mama manchmal reden wie mit einer Frau, die mir ein Stückchen ähnlich ist. Ich werde nicht in Trauer fallen, denn die Wunden aus der kurzen Zeit sind in den vergangenen Jahren so verheilt, dass man kaum noch Narben sieht. Sie meint, ich müsste zur der Beerdigung und ich traue mich zu sagen, dass ich das nicht machen werde, das höchste aller Gefühle wäre vielleicht ein Kranz. Hier hat sie mir tatsächlich geholfen. Wir waren beide der Auffassung, ...
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