... des Essens und wenn der Schaich Gäste hatte, mußte sie tanzen. Ansonsten hatte sie wenig Pflichten und viel freie Zeit. Ihr Arabisch besserte sich von Tag zu Tag und Merit war voll des Lobes für ihre Fortschritte. Ihre Gefühle für Retenu blieben zwiespältig, obwohl sie seine Besuche als willkommene Abwechslung im täglichen Einerlei herbeisehnte. Er fragte sie viel über ihre Heimat und ihr Leben vor der Entführung aus, aber jedesmal wenn er merkte, daß sich ihre Mitteilungsfreude in Melancholie umwandelte, wechselte er rasch das Thema. Merit wohnte den Zusammenkünften von Retenu und Lena als so eine Art Anstandsdame bei und warf manch neugierigen Blick auf das Paar, da sie ja die deutsche Sprache nicht beherrschte. Bei Lenas abendlichen Tänzen richteten sich Retenus Blicke des öfteren begehrlich und intensiv auf Lenas grazilen Körper, doch bei seinen Besuchen trat er ihr niemals zu nahe; auch nicht, wenn Merit sie zeitweilig alleine ließ. Es schien Lena, als versuchte er ernsthaft ihr Mißtrauen zu zerstreuen und ihre Freundschaft zu gewinnen. Doch jedesmal, wenn sie sich in seiner Gegenwart kurz entspannte, tauchte irgendwann wieder das Wort „Besitz“ in ihrem Denken auf und sofort wurde sie wieder zurückhaltend und kühl ihm gegenüber. Eines Tages betrat Retenu mit einem strahlenden Lächeln Lenas Zimmer. Merit warf ihm einen verschwörerischen Blick zu und verließ den Raum. Lena ließ ihre arabischen Vokabeln sinken und sah erwartungsvoll zu Retenu auf. Er nahm sie bei der Hand und bat, sie mit einer kleinen Verbeugung und einer Geste, mit ihm zu kommen. Als sie das Haus verließen und den prächtigen Innenhof betraten, trat auch Merit wieder zu ihnen und genoß in vollen Zügen Lenas totale Überraschung und ihr Entzücken, als ein Diener mit einem wunderschönen, arabischen Pferd hinter einem der Bäume hervortrat. Lena ließ Retenus Hand los und sah ihn fragend an. Mit einer weiteren Geste erlaubte er ihr, auf das Tier zuzugehen und es näher zu betrachten. Es war eine zierliche, dunkelbraune Stute, die sofort vertrauensvoll ihre weiche Nase in Lenas ausgestreckte Hand schmiegte. Merit war hinter Lena getreten und sagte ihr leise ins Ohr: „Dies ist ein Geschenk von Retenu an dich. Ich hoffe, es gefällt dir?“ Lena wirbelte herum und fiel Merit um den Hals. Doch diese schob sie lachend von sich und bemerkte: „Du bedankst dich bei der falschen Person,“ und mit einem schrägen Kopfnicken deutete sie auf Retenu, der erwartungsvoll ...
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