... zu Boden geschleudert wurde. Wutentbrannt beugte er sich zu ihr hinab, doch noch während sie sich schützend zusammenkauerte sah sie, daß er von hinten gepackt und grob zur Seite geschubst wurde. Dann kam eine große schlanke Gestalt auf Lena zu und reichte ihr die Hand um ihr vorsichtig auf die Beine zu helfen. Sanft wurde ihr Kinn mit einem Finger angehoben und eine Hand strich zärtlich über ihre malträtierte Wange. Als Lena aufschaute, wußte sie nicht mehr, ob sie wach war, oder ob der grobe Schlag des Dieners sie in eine Traumwelt hatte versinken lassen, denn sie sah in das wunderschöne Männergesicht aus ihrem Traum vom Nil. Seine Haare waren zwar diesmal unter einem Turban verborgen, aber diese Augen und den sinnlichen Mund hätte sie überall wiedererkannt. Der Tumult um Lena hatte sich gelegt; der Diener hielt sich ängstlich im Hintergrund, während sein Herr sich offensichtlich bei Schaich Assiz für dessen ungebührliches Betragen entschuldigte. Dann wandte sich der Dunkelhäutige seinem Diener zu und versetzte diesem einen gemeinen Schlag mit dem Griff seines verzierten Krummsäbels mitten ins Gesicht. Der Diener gab keinen Laut von sich, während das Blut aus seiner Nase strömte, aber der Blick, den er Lena zuwarf, war von tödlichem Haß erfüllt. Sein Herr wandte sich nun an den schlanken Mann an Lenas Seite und sprach auf ihn ein. Doch mit einer herrischen Geste beendete dieser das Gespräch. Er drehte Lena in Richtung der Türe, die aus dem Raum führte, und gab ihr einen sanften Schubs, um anzudeuten, daß sie sich zurückziehen durfte. Hinter der Türe wartete voller Angst Merit auf sie, die sie sofort unter ihre Fittiche nahm und zurück zu ihrem Zimmer begleitete. Dort kühlte die besorgte Dienerin Lenas Wange mit kaltem Wasser, während Lena trotz Schmerzen ihre Neugierde kaum bezähmen konnte. Wer war ihr Retter? Hatte sie ihn zuvor wirklich nur im Traum gesehen, oder hatte er vielleicht tatsächlich schon einmal neben ihrem Diwan gestanden? Aber als sie Merit fragen wollte, legte ihr diese zart den Finger auf die angeschwollene Lippe und flüsterte ihr zu: „Wir reden morgen über alles. Schlaf jetzt Kleines.“
*
Noch bevor Lena die Augen aufschlug, wußte sie, daß jemand sie ansah. Sie spürte einen intensiv auf sich gerichteten Blick. Vorsichtig öffnete sie die Lider und es dauerte einen Moment, bis sich ihre Augen an das silbrige Zwielicht gewöhnt hatten, das der Mond in ihrem Zimmer verbreitete. ...
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