Während unseres Gespräches machte der schöne Dirk sein unberechtigtes Interesse an ihrer Abwesenheit geltend. Dreimal war Vera nett, freundlich und unnahbar und auch dreimal vertröstete sie Timmi mit: “Ich bin gleich wieder bei dir.”
Und dann wurde Vera ganz still, kramte unruhig in ihrer Riesentasche. Ich dachte, ich hätte sie verletzt aber dann erkannte ich schnell die Symptome. Sie kramte nach dem, was ich immer zur ersten Hilfe in meinem Schreibtisch bereit habe: Papiertaschentücher. Keine in ihrer Tasche, aber in meiner Schublade und dann kullerten die Tränen.
“Können wir nicht du sagen. Ich kenne hier niemanden und keiner kennt mich, außer der Hausvermieter und Timmis Lehrer und alle sagen Frau Wegener zu mir. Ich bin hier so einsam. Auch wenn mich kein Mann mehr will, so lerne ich hier bestimmt Männer kennen, die auch wieder andere Leute kennen und ich kann mich mal wieder verabreden. Dirk und ich sind so oft mit dem Rad gefahren, haben zusammen Pilze gesammelt und Spaziergänge bei Wind und Wetter gemacht. Er hat so gern gegessen und ich habe so gern gekocht, gewaschen und gebügelt und jetzt ist niemand mehr da, den ich beknuddeln kann”.
Vor mir saß eine ganz normale, liebenswerte Frau, die einfach nur einsam war. Trennungsschmerz wird so unterschiedlich verarbeitet wie Trauerschmerz. Vera hatte ihren Trennungsschmerz schon in den letzten drei Jahren verarbeitet und als die Wahrheit Wirklichkeit wurde, war sie eher erlöst als verletzt.
So gern wäre sie mit Timmi in Italien geblieben und jetzt saß sie hier in der Heide. Timmi hatte es leichter. Er ging in die Schule und hatte schnell neue Kontakte geschlossen aber Vera? Keiner spielte mit ihr.
Wir konnten “Du” sagen. Es war zwar etwas gegen die Regeln doch Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden, und für Vera tat ich es gern. Meistens war dieses Anliegen eher bei den Herren der Schöpfung gefragt, weil es ihnen oft leichter fällt, in dieser Form mit mir zu reden.
Vera weinte weiter vor sich hin “Einsamkeit tut weh. Ein bisschen Glück, ist das zuviel verlangt?” Lachend musste ich sie unterbrechen: “Vera, das ist unfair, das ist eine Headline aus meiner Zeitungswerbung!” “Das weiß ich doch nicht, ich bin doch erst seit zehn Wochen hier so fühlt man eben, wenn man nicht weiß, wohin mit sich.”
Vera, also gar nicht Schickimicki, sondern wirklich noch die kleine, liebe Schwäbin. …
Ihre echte Einschätzung hilft dem Autor seine Texte zu verbessern.
1143 Leser seit 1. Jan. 2024 für diesen Abschnitt
Noch kein Kommentar zu dieser Seite.
Sei der Erste!